Fachgespräch Flüchtlingspolitik: Was können Kommunen tun?

Zahlen lügen nicht. Die Zahl der Flüchtlinge steigt, die Unterbringungsmöglichkeiten in den Kommunen sind zu knapp, die Zuweisungen des Landes decken die Kosten kaum oder gar nicht. Was können Kommunen angesichts knapper Ressourcen tun? Darüber sprachen wir mit MDL Monika Düker und dem Bornheimer Sozialdezernent Markus Schnapka sowie VertreterInnen aus GRÜNEN Orstverbänden und Ratsfraktionen im Kreis.

Nach Angaben des NRW-Flüchtlingsrates flüchteten weltweit mehr als 50 Millionen Menschen, 33,3 Millionen im eigenen Land und 6,5 Millionen Menschen allein aus Syrien. Mehr als drei Millionen leben laut UN-Flüchtlingswerk im Exil. Rund 24.000 Flüchtlinge kamen bis Ende September nach Deutschland, dreimal so viel wie im vergangenen Jahr. Kommen Städte und Kommunen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten?

In Nordrhein-Westfalen fehlten laut Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) zum Stichtag 15. Oktober 2014 mehr als 1.200 Belegungsplätze. Was können oder müssen wir im Sinn einer aufgeschlossenen Willkommenskultur tun? Flüchtlinge brauchen mehr als ein Dach über dem Kopf, sie brauchen Perspektiven. Unter dieser Maxime luden die sozialpolitische Sprecherin Gabi Deussen-Dopstadt und die GRÜNE Kreistagsfraktion Rhein-Sieg zum Themenabend ins Siegburger Kreishaus ein, um über Projekte, Probleme und Konzepte zu diskutieren.

In ihrem Vortrag verdeutlichte Monika Düker (Landesvorstand GRÜNE, flüchtlingspolitische Sprecherin) die Situation der Flüchtlinge weltweit, die Entwicklung der Asylanträge sowie die Verteilung der Asylbewerber auf die Bundesländer, Herkunftsländer und Entscheidungsquoten. Fehlende Stellen beim Bundesministerium, deutlich steigende Zahlen der Asylanträge sowie Platzmangel beim Land sorgen, so die Landtagsabgeordnete, für eine Bugwelle: „Uns fehlen die Plätze und es geht nicht schnell genug“.

Erstaufnahmeeinrichtungen funktionierten nicht, die Flüchtlinge werden zeitweise sogar nach einer Woche in die Kommunen weitergeschickt. Diese tragen schließlich die Hauptlast. Positiv fiel da die Bilanz für den Flüchtlingsgipfel in Essen aus: „Der konnte auch keine Plätze schaffen, aber Stellen und – durch eine Erhöhung der Landeszuweisungen – Gestaltungsräume in den Kommunen ermöglichen.“ In Bornheim ist das längst geschehen.

Als eine der wenigen Kommunen überhaupt entwickelte die rund 50.000 Einwohner starke Stadt im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis eigene Standards für das Zusammenleben mit Flüchtlingen. Sozialdezernent Markus Schnapka fand dafür einen griffigen Titel: „Flucht nach Bornheim“ – spiegelt die konkrete Rolle der Stadt als Zufluchts- und Aufenthaltsort für Menschen unterschiedlicher Kulturen wieder.

Schnapka plädiert kommunale Standards für die Qualität der Unterbringung, Betreuung, Finanzen und das Miteinander, „für eine gezielte Gestaltung der Rahmenbedingungen.“ Bornheim schuf kleine, dezentrale Wohneinheiten für maximal 50 Bewohner. Die Stadt setzte zudem auf eine offensive Öffentlichkeitsarbeit, informierte ihre BürgerInnen rechtzeitig, gewann Sprachpaten für Flüchtlingskinder, das Gymnasium richtete eine Integrationsklasse ein, gemeinsam bewerkstelligen ein Wohlfahrtsverband und die Fachverwaltung die Flüchtlingsarbeit. Die Politik schlägt den Bogen in der Bornheimer Erklärung.

Dabei ist die Situation in Bornheim ebenso schwierig wie andernorts. So kamen im Jahr 2011 38 Menschen, in diesem Jahr bis jetzt bereits 123 aus 20 Herkunftsländern, im nächsten Jahr rechnet die Vorgebirgskommune mit 200 Frauen, Männern, Jugendlichen und Kindern. Rund 294.000 Euro zahlte das Land in die städtische Kasse für die Flüchtlinge, dagegen stehen Kosten in Höhe von 779.000 Euro für Lebensunterhalt, Krankenhilfe. Hinzu kommen die Kosten der Unterbringung (257.000 Euro), im nächsten Jahr werden zwei Übergangsheime (167.000) sowie Personalkosten für Sozialarbeit und Verwaltung (175.000 Euro) die Situation verschärfen.

„Wir brauchen eine auskömmliche Finanzierung durch den Bund und Land“, zog Moderatorin Gabi Deussen-Dopstadt Bilanz. Zwei Lehren aus dem Bornheimer Modell: “Die Ausweisung von Standorten von Flüchtlingsunterkünften muss das Ergebnis eines moderierten Prozesses sein, in dem Bedenken von aufnehmender Gesellschaft und Flüchtlingen gleichberechtigt Platz haben.” Flüchtlingsarbeit müsse sich an den konkreten Bedürfnissen der Flüchtlinge orientieren und nicht an der klammen Haushaltslage der Städte und Gemeinden im Kreis, “es kann nicht sein, dass traumatisierte Menschen aus Geldmangel allein gelassen werden.” Der Fraktionssprecher der Sankt Augustiner GRÜNEN wünscht sich Leitfäden des Landes, „die den Kommunen bei der Entwicklung von Konzepten helfen.”

 

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