Resolution: Finanzierung der Betreuungsvereine und der Betreuerinnen und Betreuer sicherstellen

Sehr geehrter Herr Landrat,

die Fraktionen von CDU, GRÜNEN, SPD und FDP beantragen für die nächste Kreistagssitzung am 28.09.2023 folgende Resolution zu verabschieden und diese an den Bundesminister der Justiz, Dr. Marco Buschmann, sowie den Landesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann, weiterzuleiten:

Der Kreistag des Rhein-Sieg Kreises fordert von Bund und Land:
• Eine umgehende Anpassung der Kostenpauschalen für Betreuerinnen und Betreuer, um den massiven Kostensteigerungen seit der letzten Kostenanpassung (2019), aber auch den zusätzlichen Aufgaben der Betreuerinnen und Betreuer Rechnung zu tragen.
• Die derzeitige Kostenproblematik unverzüglich in einem ersten Schritt durch Anhebung der Fallpauschalen zu lösen.
• Die für 2024 vorgesehene Evaluation in das Jahr 2023 vorzuziehen, sodass bereits zum Jahr 2024 Ergebnisse vorliegen und eine umfassende Reform der Vergütung auf valider Grundlage erfolgen kann.
• Das Land Nordrhein-Westfalen setzt selbst unverzüglich eine über die bestehende Regelung hinausgehende und tatsächlich sachgerechte Finanzierung im Sinne des § 17 Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) um („Anspruch der Betreuungsvereine auf eine bedarfsgerechte, gleichwertige finanzielle Ausstattung mit öffentlichen Mitteln“) und setzt sich für eine Anpassung durch alle Länder ein.
• Die schleichende Entwertung der Vergütung durch die eingetretene Reduzierung der Kostenpauschalen für die Betreuerinnen und Betreuer sowie die Verfahrenspflegerinnen und -pfleger sind umgehend auszugleichen.

Begründung:

Die Reform des Betreuungsrechts ist ein Meilenstein in der Umsetzung der UN-BRK. Mit ihr soll das Selbstbestimmungsrecht der Betreuten gestärkt werden. So weit so gut, aber:Die Betreuungsvereine stehen vor unlösbaren Problemen. Die aktuelle Kostenexplosion (Tariferhöhungen, Energiekosten, Inflation) kann durch die seit 2019 gültigen und der Höhe nach unveränderten Pauschalen im Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) nicht mehr aufgefangen werden. Die geplante Evaluierung des Gesetzes Ende 2024 mit in Aussicht stehenden Erhöhungen der Pauschalen ab frühestens 2025 kommt für die Betreuungsvereine zu spät. Um die mit der Reform einhergehende anspruchsvolle und deutlich klientenzentrierte Arbeit vornehmen zu können, ist es unerlässlich, die im VBVG 2019 festgelegte Vergütung schnellstmöglich an die tatsächliche Tarifentwicklung und die von der Energiekrise ausgelöste gegenwärtige extreme Kostenentwicklung anzupassen. Die durchschnittliche Erhöhung der Vergütungssätze von 2019 ist in ihrer Wirkung durch die aktuellen
Entwicklungen bereits verpufft. Die Energiekrise und die damit einhergehende Inflationssteigerung lassen keinen Spielraum mehr, um normale Lohnentwicklungen, d.h. -steigerungen, aufzufangen. Ohne eine zeitnahe Anpassung der Vergütung an die aktuellen Entwicklungen werden die Träger der Betreuungsvereine die genannten Mehrkosten nicht bestreiten können und werden an den Rand der wirtschaftlichen Existenz gedrängt. Dies wiederum wird dazu führen, dass viele unserer Betreuungsvereine die kommenden knapp zwei Jahre bis zur gesetzlich vorgesehenen Evaluation wirtschaftlich nicht überleben werden. Das erste „Opfer“ im Rhein-Sieg-Kreis ist die Diakonie, die bereits die Arbeit ihres Betreuungsvereins eingestellt hat. Die Umsetzung des § 17 BtOG (bedarfsgerechte finanzielle Ausstattung der Betreuungsvereine für die Querschnittsaufgaben) gelingt leider nicht in NRW. Die Verordnung zur Anerkennung und Finanzierung der Betreuungsvereine (Betreuungsvereinefinanzierungsverordnung – BVFinanzierungsVO) vom 15.03.2023 bildet ausschließlich die bis 31.12.2022 geltende Richtlinie zur Finanzierung der Betreuungsvereine nach. Sie berücksichtigt nicht die vielfältigen neuen Aufgaben der Querschnittsarbeit
(§ 15 Abs. 1 Betreuungsorganisationsgesetz) und setzt keine Standards der Querschnittsarbeit z. B. durch Festlegung eines Stundenumfangs je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner über 18 Jahre. Die Betreuungsvereine sind die Schnittstelle zwischen verschiedenen Behörden, Krankenhäusern,
Krankenkassen und anderen Dienstleistern. Diese Rolle wird durch das neue Betreuungsgesetz noch verstärkt. Den Betreuungsvereinen wird die zusätzliche Aufgabe zugewiesen, ehrenamtlich Betreuende zu begleiten und zu unterstützen. Nur so sind ehrenamtlich Betreuende in der Lage, die Verantwortung einer Betreuung abgesichert zu übernehmen. Unter den gegebenen Umständen der bundes- und landesrechtlichen Vorgaben ist nicht nur eine erfolgreiche Umsetzung der eigentlich inhaltlich begrüßenswerten Neuerungen gefährdet, sondern das gesamte Betreuungssystem insgesamt steht vor dem Kollaps.

Mit freundlichen Grüßen,
gez.

Dr. Torsten Bieber Ingo Steiner           Denis Waldästl Christian Koch
Matthias Schmitz   Wolfgang Haacke  Katja Ruiters    Martina Ihrig

f. d. R. Christian-Alexander Heinrich