Aktionstag gegen die „unsichtbare Sorgearbeit“ am 1. März steht bevor
Siegburg (ew). Der Equal Care Day 2023 ist eine gemeinsame Veranstaltung von klische*esc e.V. und UN Women Deutschland e.V., um auf die geringe Wertschätzung und mangelnde Sichtbarkeit der Care-Arbeit aufmerksam zu machen.
Am Anfang und am Ende des Lebens sind wir abhängig von anderen Menschen. Sie sorgen für uns, führen Care-Tätigkeiten für uns aus. Wer kocht, wer putzt, wer räumt auf? Wer erzieht, betreut und pflegt? Wer hört zu? Wer ist bereit dazu? Wer stellt die eigenen Wünsche zurück? Dabei wird eines schnell klar: All diese Care-Tätigkeiten sind in der Gesellschaft ungleich verteilt – im professionellen wie im privaten Bereich.
Die Festlegung des Equal Care Days auf den 29. Februar, der als Schalttag nur alle vier Jahre an diesem Tag stattfindet – ansonsten ist dieser Aktionstag auf den 1. März festgelegt – zeigt: Care-Tätigkeiten gelten als „unsichtbare Sorgearbeiten“, die oft nicht einmal erkannt und erst recht nicht bezahlt werden. Der Aktionstag erinnert daran, dass Männer rechnerisch etwa vier Jahre benötigen, um genauso viele berufliche, private und ehrenamtliche Care-Tätigkeiten zu erlangen wie Frauen – vier zu eins ist folglich das Verhältnis! Wunsch jedoch ist, die Sorgearbeiten ausgewogener auf beide Geschlechter zu verteilen. So aufzusplitten, dass sich eine wirkliche Gleichberechtigung ergibt und darüber hinaus sowohl die Rahmenbedingungen in Gesellschaft und Politik endlich zu verbessern.
Der Equal Care Day lenkt den Blick darauf, dass die Konditionen der bezahlten und unbezahlten Leistungen voneinander abhängen. Viele Menschen sind davon überzeugt, diese Care-Tätigkeiten seien nicht finanzierbar – und da ist die Rede von einem vergleichbaren Ehrenamt.
Doch die grüne Vize-Landrätin Michaela Balansky sieht es anders und erklärt …
„Wir müssen für die Anerkennung der Sorgearbeit kämpfen, die Erwerbsarbeit hat immer noch einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft. Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Pflege und die Versorgung für Gesellschaft und Wirtschaft sind – und Balansky fährt fort, „Hierbei ist eine geschlechtergerechte Aufteilung aller Arbeiten von Nöten“.
Zu erwähnen bleibt noch der Gender Care Gap als Indikator für die Gleichstellung der Geschlechter. Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit, Ehrenamt: Frauen leisten täglich durchschnittlich circa 52,4 Prozent unbezahlte Care-Tätigkeiten. Die Differenz zu den von den Männern geleisteten Care-Tätigkeiten bezeichnet man als Gender Care Cap. Er variiert je nach Alter und Lebenssituation. Seinen Höchstwert erreicht der Gender Care Gap mit 110,6 Prozent in der Gruppe der 34-Jährigen und reduziert sich mit zunehmendem Alter. In Familien mit Kindern ist die Care-Lücke mit 83,3 Prozent besonders hoch, aber auch alleinlebende Frauen investieren mehr Zeit für Care-Tätigkeiten als alleinlebende Männer.
Die Entgeltlücke rührt teilweise daher, dass ein „Wettbewerb“ der unbezahlten zur bezahlten Arbeit entsteht. Dabei wird die Care-Tätigkeit zu gering bewertet. Dies resultiert genau wie beim Gender Pay Gap auch beim Gender Care Gap zur Entgeltdiskriminierung der Frauen.
So ist die Position der alleinerziehenden Mütter …
„Mir ist es wichtig, explizit auf die Position der alleinerziehenden Mütter hinzuweisen“, kommentiert Wolfgang Haacke, GRÜNES Kreistagsmitglied und sozialpolitischer Sprecher der GRÜNEN im Rhein-Sieg-Kreis. „Ob Gender Pay Gap oder Gender Care Gap: Alleinerziehende Frauen sind doppelt betroffen! Oft erhalten sie sehr wenig oder keine Unterstützung durch den Ex-Partner, dies führt dann zu einer nicht vertretbaren Überlastung. Der Equal Care Day thematisiert dieses Problem. Auch wenn man nicht alles in Zahlen fassen kann: Hier ist gesellschaftliche Sensibilität gefragt und muss endlich gelebt werden!“
Neben den Lohnunterschieden weist der Equal Care Day mit statistischen Auswertungen darauf hin, dass die unbezahlten Care-Tätigkeiten bei 4,5 Stunden täglich liegen. Eine weitere von Oxfam im Jahr 2020 herausgegebene Studie stellt dar, dass Frauen weltweit zwölf Milliarden Stunden „kostenlose“ Care-Tätigkeiten leisten. Sie zeichnen hauptverantwortlich für die unbezahlten Sorgearbeiten. Dies resultiert in einem wesentlich geringeren Zugang zur Bildung für Mädchen, was sich negativ auf deren berufliche Entwicklung auswirkt und die sozialen Charakteristika noch verschärft.
So sagen die beiden Hauptinitiatoren des World Care Days Almut Schnerring und Sascha Verlan:
„Die grundlegenden Muster, die später zum Gender Care Gap führen, werden bereits in der frühen Kindheit eingeübt, da Töchter sehr viel stärker in die Familienarbeit einbezogen werden, zum Beispiel wenn es um die Betreuung jüngerer Geschwister und Hausarbeit geht“.
Ziel des jährlichen Equal Care Days ist es, die Care-Tätigkeiten aus der Nische des Unsichtbaren herauszuholen, sie ernst zu nehmen und neu zu überdenken – und nicht zuletzt Gesellschaft und Politik dafür zu gewinnen, die unterschiedlichen Bereiche (Erziehung, Haushalt, Betreuung, Pflege etc.) anzuerkennen. Wichtig ist dabei nicht, dass alle den gleichen zeitlichen Umfang an Care-Tätigkeiten leisten, um eine faire Verteilung zu erreichen – die „gleichwertige Care-Tätigkeit“ appelliert an all jene, die davon profitieren, z. B. Staat und auch Unternehmen.
Equal Care heißt Verantwortung übernehmen und die Sorgearbeiten anderer anzuerkennen. Care-Tätigkeiten müssen besser und neu wertgeschätzt und gewichtet werden! Ja zu Equal Care!
* Almut Schnerring und Sascha Verlan haben den Equal Care Day 2016 etabliert. Verantwortet wird er seit 2018 vom gemeinnützigen Verein klische*esc e.V. Schnerring und Verlan schreiben gemeinsam Radiofeatures und Hörspiele, zuletzt „Equal Care?“