Wenig populär, aber dringend nötig: Über Armut sprechen und handeln

„Armut macht krank“ lautete auch in diesem Jahr das Thema der Caritasverband Rhein-Sieg. „Eine offene und mutige Auseinandersetzung, die wir dringend benötigen“, sagt die GRÜNE Fraktionsvorsitzende und Sozialpolitikerin Gabi Deussen-Dopstadt bei einer Zusammenkunft von Politikern und Obdachlosen im Siegburger Don Bosco Haus.

Längst ist deutlich: Unser solidarisches Gesundheitssystem ist kein Garant für Gesundheit. Wenn das Geld nicht ausreicht, werden Zuzahlungen zu Medikamenten zum Problem. Arme Menschen nehmen Vorsorgeleistungen weniger in Anspruch, existenzielle Sorgen belasten zudem die Psyche. Und: Gesundheit hängt stark vom sozialen Status ab, darauf weisen die Wohlfahrtsverbände in ihrem Armutsbericht für den Rhein-Sieg-Kreis hin. Wem es an Bildung, Perspektiven und Geld fehlt, wird demnach öfter krank.

Die Härtefallregelung könne das Schlimmste abfedern, „es geht aber vordringlich darum, Armut zu verhindern“, so Gabi Deussen-Dopstadt. Die Armutsproblematik habe zudem immense Folgekosten, „auch darüber müssen wir reden.“ Das sicherste Mittel gegen den Armut ist daher die Vermeidung von Arbeitslosigkeit, dazu kinder- und familienfreundliche Rahmenbedingungen mit adäquaten Betreuungsangeboten, eine auskömmliche Ausstattung der Rentnerinnen und Rentner sowie bezahlbarer Wohnraum“, benennt die Sprecherin der GRÜNEN im Sozialausschuss des Kreises die Aufgaben der Zukunft.

In Ein-Personenhaushalten liegt die Armutsgrenze bei weniger als 925 Euro. Der Betrag entspricht in etwa der monatlichen Rente nach 36 Beitragsjahren. Die Grundsicherung im Alter beträgt 624 Euro und liegt damit deutlich unter der Armutsgrenze. Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne und geringe Vorsorge bei Selbständigen und der Trend zu mehr Teilzeitbeschäftigung und Minijobs sorgen für den Rückgang des Rentenniveaus. Es geht auch anders, wie ein Blick auf die Niederlande zeigt. In unserem Nachbarland ist die Grundrente als soziales Bürgerrecht verankert. Wer 50 Jahre im Land lebt, bekommt rund 1.100 Euro monatlich.

Zurück nach Deutschland: Allein in Nordrhein-Westfalen sind rund eine Million Menschen von Altersarmut betroffen. Laut einer Untersuchung des Pestel-Instituts aus Hannover liegt der Anstieg in diesem Jahrzehnt bei 125 Prozentpunkten („Impulse für den Wohnungsbau“, Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel und Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau).

Statistiken der Deutschen Rentenversicherung zeigen: seit 1985 sinkt das Netto-Rentenniveau vor Steuern schrittweise. In diesem Jahr liegt es bei 49,6 Prozent, nach Berechnungen der Bundesregierung wird es bis 2026 auf 46,0 Prozent und bis 2030 sogar auf 43 Prozent fallen. Auf private Altersvorsorge setzen die wenigsten, nur 23 Prozent aller Bundesbürger setzen auf die staatlich geförderte Riesterrente. Für viele abschreckend: Nach heutiger Rechtslage wird die Riesterrente auf die Grundsicherung angerechnet.

So werden Aussagen wie „die Rente ist sicher – sicher viel niedriger als gedacht“ einmal mehr bittere Wahrheit. Bei einem Gehalt von 2.500 Euro und 35 Beitragsjahren liegt die Rente etwas über der Grundsicherung im Alter. Bei einem Gehalt von 2.200 Euro und 40 Beitragsjahren droht Grundsicherungsbedürftigkeit. Das heißt: Die Nettoeinkünfte der unteren Gehaltsgruppen müssen steigen, Mindestlöhne eingeführt und Sozialabgaben verringert werden.

 

Im Rhein-Sieg-Kreis werden 2020 rund 125.200 Rentner leben, 4.870 sind dann auf die Grundsicherung angewiesen. Die Folgen sind absehbar: Steigende Ausgaben für Gesundheit, Pflege, Haushaltsdienstleistungen und in der Energieversorgung. Eine Antwort auf die „Graue Wohnungsnot“ sind kleinere, energieeffiziente und altengerechte Wohnungen.

 

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