Resolution des Kreistages des Rhein-Sieg-Kreises zur – Geburtshilfe im Rhein-Sieg-Kreis/Versorgungsgebiet 6, – Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung für Kinder und Jugendliche insbesondere in den Fachdisziplinen Pneumologie und Kinder- und Jugendpsychiatrie, – nachhaltigen und auskömmlichen Finanzierung der Geburtshilfe sowie der sog. „kleinen“ Krankenhäuser

Sehr geehrter Herr Landrat,

die Fraktionen von CDU, GRÜNEN, SPD und FDP beantragen für die nächste Sitzung des Kreistages am 28.09.2023 folgende Resolution zu verabschieden und diese an den Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW), Karl-Josef Laumann, weiterzuleiten:

Der Kreistag des Rhein-Sieg Kreises fordert die Landesregierung vor dem Hintergrund der aktuell laufenden regionalen Planungsverfahren im Versorgungsgebiet 6 (Rhein-Sieg-Kreis, Bundesstadt Bonn, Kreis Euskirchen) auf:
1. Es muss eine Geburtshilfe leistende Abteilung einer bestehenden Klinik im ländlichen Bereich des rechtsrheinischen Kreisgebietes reaktiviert werden, um die Kliniken auf Bonner Stadtgebiet zu entlasten sowie die stationäre Versorgung im Bereich der Geburtshilfe im ländlichen Rhein-Sieg-Kreis zu gewährleisten und sicherzustellen. Dabei müssen rechnerisch mindestens3.500 Geburten pro Jahr durchgeführt werden können.
2. Die Kinderklinik Sankt Augustin muss beim Ausbau in den Bereichen Pneumologie und Kinderund Jugendpsychiatrie unterstützt und Landesmittel für den Kapazitätsausbau bereitgestellt werden.
3. Die Finanzierung der stationären Geburtshilfe muss grundsätzlich neu geregelt werden. Leistungen im Bereich der Geburtshilfe dürfen nicht weiter mithilfe von Fallpauschalen als sog. DRG-Leistungen abgerechnet werden, sondern sie sollten mithilfe von Vorhaltepauschalen, die eine auskömmliche und nachhaltige Finanzierung des Leistungsangebotes sicherstellen, finanziert werden.
4. Die sog. „kleinen“ Krankenhäuser mit überwiegender Grundversorgung (Chirurgie, Innere Medizin) müssen finanziell stabilisiert werden.

Begründung:

In den vergangenen Jahren wurden im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis bereits vier Geburtshilfe leistende Abteilungen geschlossen (Eitorf, Sankt Augustin, Siegburg und Bad Honnef). In Summe wurden in diesen Abteilungen mehrere tausend Geburten pro Jahr durchgeführt. Dies führt zu einer aktuell dramatischen Situation für die stationäre Versorgung im ländlichen Gebiet des Rhein-Sieg-Kreises in den Bereichen Geburtshilfe sowie Kinder- und Jugendmedizin. Auch in der benachbarten Bundesstadt Bonn zeigt sich die Reduzierung der Geburtshilfe leistenden Kliniken im rechtsrheinischen Rhein-SiegKreis auf nur zwei Abteilungen mit deutlich wahrnehmbarer Dramatik. Die Anzahl der im vergangenen Jahr neugeborenen Kinder aus dem Rhein-Sieg-Kreis beträgt insgesamt
rund 5.700. Von diesen Neugeborenen wurden rund 2.200 Kinder in den beiden verbliebenen Abteilungen für Geburtshilfe der GFO Kliniken in Troisdorf geboren. Die verbleibende Anzahl an Geburten soll nach den aktuellen Planungen zusätzlich zu den mehreren tausend Geburten in der Bundesstadt
Bonn von den Abteilungen in Bonn aufgefangen werden. Um der sich für den rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis und die Bundesstadt Bonn dramatisch zeigende
Situation zu begegnen, wurde im März des vergangenen Jahres der sog. „Runde Tisch für Geburtshilfe Bonn/Rhein-Sieg“ einberufen. Seither finden regelmäßig Sitzungen zum Austausch und zur Beratung der dramatischen Entwicklung statt. Als Fachgremium beteiligen sich am Runden Tisch Hebammen, Ärzte und (klinisches) Personal aus dem Bereich Kinder- und Jugendmedizin sowie Geburtshilfe. Aus den Protokollen des Runden Tisches geht hervor, dass aufgrund der Aus- und Überlastung der Bonner Kliniken eine fortschreitend schlechter werdende stationäre Versorgung im Bereich Geburtshilfe nicht nur im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis, sondern auch in der Bundesstadt Bonn zu befürchten ist. Um auf die dramatische Situation hinzuweisen, haben der Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises am 18.03.2021 sowie der Stadtrat der Bundesstadt Bonn am 27.10.2022 jeweils Resolutionen zur stationären Versorgung im Bereich der Geburtshilfe in der Region verabschiedet. Die damalige wie aktuelle Situation zeigen, dass die Planungen des neuen Krankenhausplans NRW für
den Rhein-Sieg-Kreis und die Region in den angesprochenen Disziplinen nicht zutreffen. Für den Bereich der Geburtshilfe im Rhein-Sieg-Kreis wie auch für die Kinder- und Jugendmedizin (hier vor allem Pneumologie und Kinder- und Jugendpsychologie/-psychiatrie) stellt die geplante Krankenhausstrukturreform eine Planung in Aussicht, die wir nicht unterstützen können. Hierin sind sich die politischen Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen einig. Planungszahlen, die aus dem Jahr 2019 stammen und als Grundlage für die heutigen regionalen Planungsverfahren herangezogen werden, haben durch verschiedene Entwicklungen, darunter den Zuzug kriegsgeflüchteter Frauen, Kinder und Jugendlicher, ihre Richtigkeit verloren. Davon auszugehen, dass die Zahlen von Geburten sowie Bedarfe an stationären Kinder- und Jugendärzten weiter rückläufig sind, ist vor diesem Hintergrund mehr als fragwürdig. Sich im Zuge der regionalen Planungsverfahren auf veraltete Kennzahlen zu berufen, verfestigt aus unserer Sicht eine dramatische Situation, mit der wir bereits heute tagtäglich konfrontiert sind. Die so erzeugten strukturellen Mängelsituationen stellen Gefahren für betroffene Familien, Kinder und Jugendliche dar, die dringend Hilfe benötigen.
Die Geburtshilfe leistenden Abteilungen in der Region, wie auch die Abteilungen der Kinder- und Jugendmedizin, sind am Limit ihrer Leistungsgrenzen angelangt. Die stationäre medizinische Versorgung für gebärende Frauen sowie für Kinder und Jugendliche ist akut gefährdet. Die Erkältungszeit der Wintermonate im vergangenen Jahr zeigten in den pneumologischen Abteilungen der Kinderkliniken in der Region ein dramatisches Bild. Geriatrische Abteilungen erfahren zurecht deutliche Zuwächse im Bereich der medizinischen Versorgung. Gleiches muss aber auch für das entsprechende Monitoring im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin gelten. Auch hier ist dringend eine Überarbeitung der geplanten Restrukturierung gefordert. Notzustände in den Kinder- und Jugendabteilungen der Kliniken dürfen nicht zum Alltag werden. Grundsätzlich ist darüber hinaus seit langer Zeit bekannt, dass Kliniken, die Leistungen der Geburtshilfe wie auch der Kinder- und Jugendmedizin anbieten, finanziell in einem Engpass stehen. Nicht selten ist diese nicht auskömmliche Finanzierung der Grund für die Einstellung der Leistungen in den genannten Fachdisziplinen. Aus unserer Sicht ist eine Überarbeitung des Abrechnungsverfahrens hin zu einer auskömmlichen und nachhaltigen Finanzierung der genannten Leistungen daher dringend erforderlich. In großer Sorge sind wir zuletzt auch im Hinblick auf die finanzielle Sicherung der sog. „kleineren“ Krankenhäuser. Diese sind notwendig, um die Erreichbarkeit im Sinne des neuen Krankenhausplans NRW zu gewährleisten (Grundversorgung bisher Chirurgie (LB 9) und Innere Medizin (LB1)). Reduziert man hier, so wie es dem derzeitigen Stand des regionalen Planungsverfahrens zu entnehmen ist, die Fallzahlen im Bereich der LG 14.1-14.5, werden sich die Erlöse vermindern – bei annähernd gleichbleibender Kostensituation. Dies kann und wird die finanzielle Tragfähigkeit der Krankenhäuser enorm belasten und möglicherweise zu Insolvenzen führen. Die Gewährung eines dauerhaften Sicherstellungszuschlages zur Erhaltung der „Unverzichtbarkeit“ kann dabei keine Lösung sein.

Mit freundlichen Grüßen,
gez.

Dr. Torsten Bieber Ingo Steiner         Denis Waldästl Christian Koch
Andreas Sonntag   Gerlinde Neuhoff Katja Ruiters    Martina Ihrig

f. d. R. Christian-Alexander Heinrich