Ratschlag Flüchtlinge: Ohne Schaltstellen in den Kommunen geht es nicht

Für Flüchtlinge gibt es Hilfsangebote. Damit bürgerschaftliches Engagement ankommt, müssen die Hilfsangebote koordiniert werden.  Mehr als 1.400 Flüchtlinge leben in den Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises und die Zahlen wachsen stetig.

Allein in Troisdorf kamen sind werden derzeit 134 Menschen untergebracht. Welche Erfahrungen machen die Akteure der Flüchtlingshilfe in ihren Kommunen? Welche Hilfen brauchen sie, um helfen zu können und wo drückt der Schuh? Um diese und weitere Themen ging es beim 2. Flüchtlingsratschlag der GRÜNEN im Kreistag.

„Ein guter und fruchtbarer Austausch“ bewertet Initiator Wilhelm Windhuis, Fraktionsmitglied und Vorsitzender der GRÜNEN in Alfter den Abend im Siegburger Kreishaus, „die Bereitschaft zur Hilfe ist spürbar groß.“ Deutlich werde aber auch der Bedarf an Strukturen, um Einwanderern einen guten Start und Orientierung zu bieten sowie das Einleben erleichtern zu können. Ebenso ist  die interkommunale Vernetzung ungeheuer wichtig.

Doris Kübler ist Initiatorin der Flüchtlingshilfe in Rheinbach. Spontan hatten sich in der linksrheinischen Kommune 40 Menschen zusammen getan, um gemeinsam zu helfen, „das Engagement ist groß“, berichtete sie aus ihrer Heimatkommune. Besorgniserregend dagegen ist die e personelle Ausstattung der Verwaltung, gerade einmal ein Sachbearbeiter ist zuständig für 170 Flüchtlinge. In Rheinbach und Meckenheim entwickelte sich ein Forum für Flüchtlinge. Für jedes Fachgebiet konnten Ärzte gewonnen werden, darunter zwei Trauma-Psychologinnen. Dringend gebraucht würden zwei Koordinationsstellen.

Zahlreiche Initiativen haben sich in allen Ortsteilen von Sankt Augustin entwickelt. Sankt Augustins Flüchtlinge werden derzeit in einer renovierten Sporthalle untergebracht. Aus der Bevölkerung kommen Hilfsangebote und die Stadt sucht im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit nach freien Unterbringungsmöglichkeiten, stößt dabei aber an ihre Grenzen. In der Frage der Unterbringung wünscht man sich den Erfahrungsaustausch mit Nachbarkommunen, „hier sollte man über die eigenen Grenzen hinaus schauen und prüfen, was man gemeinsam leisten kann.“

Dringend geboten sei die Einführung der Krankenkassenkarte, „und zwar schnellstmöglich nach dem Bremer Modell.“ Bis es soweit ist, stellt die Sankt Augustiner Verwaltung Blanko-Krankenscheine für jeweils ein Quartal aus. Damit habe man gute Erfahrungen gemacht. Dem Beispiel wollen viele der Ratschlag-Teilnehmer nun folgen und einen entsprechende Antragsentwurf aus der Kreistagsfraktion in ihren politischen Gremien auf den Weg bringen.

Die Sozialpolitische Sprecherin Gabi Deussen-Dopstadt der GRÜNEN im Kreistag plädierte dafür, eng mit den Sozialdezernenten der Kommunen zu arbeiten. Sie teilte mit, dass sie Mitglieder aus den Städten und Gemeinden aufgefordert habe, explizit anzufragen, wie sich ihre SozialdezernentInnen zur Einführung einer Krankenkarte auf der SozialdezernentInnenkonferenz positionieren.

Probleme mit knappen Unterbringungsmöglichkeiten sind nach Ansicht von Wilhelm Windhuis hausgemacht, seit 1995 wurden die Kapazitäten abgebaut und Unterkünfte wie Asylheime  anderen Nutzungen zugeführt. In Alfter sind die Flüchtlinge in gemeindeeigenen Wohnungen untergebracht. Geplant ist ein Modul für weitere rund 60 Menschen.

„Jeder im Dorf will helfen, aber das muss organisiert und koordiniert werden.“ Nach diesem Prinzip entwickelte Wachtbergs DRK-Vorsitzender Michael Bau ein Konzept, das die Basisbetreuung für Asylsuchende regelt. Darin ist etwa die qualifizierte Verteilung auf Wohnräume verankert, denn längst ist nicht egal, aus welchen Herkunftsländern die Menschen unter einem Dach friedlich zusammen leben können.

Das Konzept der Hilfsorganisation berücksichtigt praktische Alltagsregeln wie Müllentsorgung oder die Organisation von Transporten. Bau kennt die Probleme aus eigener Erfahrung. „Die Leute können ihre Post nicht lesen, wissen nicht wo sie wann erscheinen sollen.“ Durch die ehrenamtliche Betreuung seien schon viele Freundschaften entstanden.

Das Konzept regelt auch, wer denn bei Konflikten zwischen Asylsuchenden zuständig ist. Eine wichtige Brückenfunktion soll nach den vorgestellten Planungen der Ökumenische Arbeitskreis übernehmen, als Schaltstelle zwischen Gemeinde und weiteren ehrenamtlichen Diensten fungieren. Die Idee kam an. Der Gemeinderat hat sich inzwischen für die Initiative ausgesprochen, Ortsverband und Gemeinde einigten sich auf einen Dienstleistungsvertrag.

Wolfgang Küffner von der Flüchtlingshilfe Lohmar fordert den Aufbau eines Qualitätsmanagements in der Flüchtlingsarbeit. „Die Menschen brauchen einen Tagesablauf.“ Er warnt auch vor Überforderung der ehrenamtlich Engagierten. Sinnvoll sei eine Verknüpfung von Professionalität und Ehrenamt. In Lohmar geschieht das an einem runden Tisch.

Sechs Arbeitsgruppen kümmern sich um Sprachförderung,  Versorgung mit Möbeln, mit der Unterbringung in Schulen und Kindergärten sowie bei der Vermittlung von Ärzten. Kurse und Paten sind in Lohmar gelebte Integration. Auch für den interkommunalen Austausch wünscht er sich auf kreisebene einen runden Tisch. Zudem müsse die Qualifikation der Flüchtlinge schon bei der Aufnahme erfasst werden.

Andrea Piro und Bettina Eifert aus Neunkirchen-Seelscheid sind überzeugt, dass Angebote und sinnvolle Beschäftigungen Konflikte verhindern und die Integration fördern. Rund 60 Menschen, darunter viele Mütter mit Kindern, sind in einem zentralen Übergangsheim untergebracht, die Gemeinde mietete zusätzliche Wohnhäuser an. In Bornheim wird die Ausweisung von Standorten kontrovers diskutiert.

Gabi Deussen-Dopstadt erklärte die Problematik. So sieht die Bornheimer Erklärung explizit nicht nur die Information der Öffentlichkeit über neue Unterbringungspläne vor. Voraussetzung für die Belegung ist auch die Zustimmung der Bevölkerung, „die Resonanz ist sehr positiv, Interesse und Engagement sind groß.“  Zum Gelingen trage auch bei, dass in Bornheim eine Atmosphäre hergestellt werde, in der Ängste thematisiert werden könnten.

Auch wenn noch vieles zu tun sei, zeige sich die Region als sehr offen, fasste der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Kreistag Ingo Steiner zusammen, „anders als in den neuen Ländern gibt es hier keine Gegenbewegung. Die Haltung gegenüber Migranten zielt auf Teilhabe und Inklusion und umfasst sowohl organisatorische als auch gesellschaftliche Aspekte.“ Im Herbst dieses Jahres will die Kreistagsfraktion zum dritten Flüchtlings-Ratschlag ins Kreishaus einladen.

Kostenerstattung für die medizinische Versorgung
So rechnet der Kreis mit den Kommunen ab

Das Sozialamt Rhein-Sieg-Kreis macht ausschließlich die Abrechnung der angefallenen Kosten; alle Städte und Gemeinden tragen diese solidarisch und berechnet nach Fallzahl. Bei Kosten über 70.000€ übernimmt das Land die Kosten. Der Rhein-Sieg-Kreis koordiniert die Gespräche zwischen den kommunalen zuständigen Sozialämtern, die die Krankenkarte herausgeben müssten. Aktuell:  Nach Informationen von Gabi Deussen-Dopstadt will NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Bündnis90 /Die GRÜNEN) will die Krankenkarte  landesweit für Flüchtlinge einführen.

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